Dienstag, 29. November 2016

Die Realität hinter der vermeintlichen Uberisierung

Während Electrolux mit der Idee des Ubers für Wäsche experimentiert, beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof heute in Luxemburg mit der Klage einer spanischen Taxigewerkschaft gegen Uber. Vor Gericht geht es dabei um keine geringere Frage als die, ob Uber ein Transportunternehmen oder eine App ist.

Das Urteil, das für März erwartet wird, soll Modellcharakter für die Regulierung von Technologieplattformen in der EU haben – und sich damit auch auf Anbieter wie AirBnB und BlaBlaCars auswirken. Diese würden sich künftig entsprechenden Vorschriften unterwerfen müssen.

Doch ganz gleich, wie sich der Europäische Gerichtshof entscheidet: Wir werden weiterhin Apps nutzen, um Taxen via Uber oder anderen Apps zu bestellen und die Nutzung von Mietwagen von Zipcar und anderen Anbietern zu planen. Es wird weiterhin Frachtenbörsen geben, um Frachtraum gemeinsam zu nutzen. Und der klassische Flohmarkt, den wir alle noch aus Kindertagen kennen, wird weiterhin auf eBay und anderen Plattformen sein neues zu Hause finden.

Wir werden also unabhängig von dem Urteil weiterhin Angebote und Dienstleistungen nutzen, die wir seit Jahrzehnten kennen. Und uns dabei darüber freuen, dass dies leichter ist als noch vor Jahren. Denn neu ist nur der Zugang: Dank Digitalisierung müssen wir nicht mehr einzelne Flohmärkte abklappern, sondern können rund um die Uhr stöbern. Vom Sofa aus. Dank des digitalen Zugangs zu Nachfrage und Angebot auf Plattformen für unterschiedlichste Angebote und Dienstleistungen lässt sich heute nahezu alles leichter, schneller und umfassender organisieren als in den analogen Jahren. Denn dank Internet haben wir schnell und ohne Umweg über die verschiedensten Vermittler direkten Zugang zu Hotels, privaten Gästezimmern, Fahrkarten, Flugtickets und vielem mehr. Inklusive Lebensmittel, Kleidung, Büchern und sogar der „immateriellen“ Energie.

Seit den Anfängen des Internets ist so ein hochtransparenter Marktplatz entstanden, der sich immer weiter entwickelt und immer weiter wächst. Und genau wie im analogen Leben, fallen für die Nutzung des Marktplatzes Gebühren an. Es gibt Tendenzen zu vertikalen und horizontalen Monopolisten, die durch die Nachfrage der Konsumenten gestärkt werden. Denn auch wenn der Wettbewerb nur einen Mausklick entfernt ist, möchte der Verbraucher nicht aufwändig verschiedene Online-Angebote miteinander vergleichen müssen. Er bevorzugt Plattformen, die die unterschiedlichen Angebote für ihn sammeln und vergleichen. Er will die eine allumfassende Plattform für jede leicht abzugrenzende Kategorie.

Gäbe es viele Plattformen, wäre es mit dem einfachen Zugang auch schon wieder vorbei: Käufer und Verkäufer müssen dann wieder auf verschiedenen Plattformen suchen, und wie zuvor aufwändig beispielsweise viele verschiedene digitale Flohmärkte besuchen. Trotzdem bedeutet dies nicht, dass es Wettbewerb in bestimmter Form nicht mehr geben wird – auch heute haben wir die Wahl zwischen Ebay, Amazon, Allyouneed und anderen Plattformen. Sie alle greifen Konzepte auf, die es in analoger Form bereits gab. Sie grenzen sich durch Angebot und Zielgruppe ab.

Natürlich hat das digitale Zeitalter unsere Welt, unser Leben bereits maßgeblich geändert. Genauso, wie es die Industrialisierung nach der Erfindung der Dampfmaschine getan hat. Insbesondere im Bereich des Zugangs und der Schnittstelle. Die vierte industrielle Revolution, d.h. die Verschmelzung von physischer, digitaler und biologischer Welt, wird dies noch wesentlich weitertreiben.

Die Digitalisierung hilft uns zumindest teileweise, gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen einfacher zu meistern. Dank Sharing Economy können Ressourcen besser genutzt, Kapazitäten besser ausgelastet und Abfälle vermieden werden. Auch können Maschinen, Geräte und andere Gegenstände des täglichen und beruflichen Lebens Dank Kunden-Scoring und Internet der Dinge besser eingschätzt und gewartet werden.

Angesichts der großen Herausforderungen brauchen wir allerdings mehr als nur besser genutzte Kapazitäten, mehr als nur lineare Verbesserung. Wir brauchen ein Umdenken, das sich unter anderem in neuen Konzepten wiederspiegelt.

Beispiel City-Logistik: Der Einsatz von Technologie wird dazu beitragen, den Verkehr flüssiger zu machen, Staus und stockenden Verkehr zu verringern. Auch der CO2-Ausstoß wird durch neue Ansätze gemindert. All das verzögert jedoch nur den Kollaps, wird ihn nicht verhindern. Denn wenn sich grundsätzlich nichts ändert, nimmt der Verkehr in welcher Form auch immer einfach dennoch weiter zu.

Anders ausgedrückt: Die Digitalisierung kann uns helfen, unsere Welt immer mehr zu optimieren. Sie nimmt uns aber nicht die verantwortungsvolle Gestaltung und Organisation ab. Nicht die Entscheidung, in welcher Welt wir schlussendlich leben wollen. Sie wird die Verwerfungen in unserer Gesellschaft ebenso ohne weiteres wegzaubern können wie die Umweltbelastungen. Es gibt keine unsichtbare Hand, die am Ende alles gut macht.

Die Frage ist also, was wir anstreben: Eine Welt, in der wir alles graduell verbessern – aber immer wieder an Grenzen stoßen. Oder eine Welt, in der wir entscheiden, was wir unter Berücksichtigung aller Faktoren wirklich benötigen und die Konsequenzen dieser Entscheidung kollektiv tragen?

Wir könnten morgen den Individualverkehr aus den Städten verbannen und den Güterverkehr mit entsprechenden Auflagen „sauber machen“. Und trotzdem die Mobilität und die Versorgung des Einzelnen gewährleisten.

Ein solcher Schritt bedarf weder der Digitalisierung noch der Uberisierung – er setzt allerdings Entschlossenheit und Courage voraus: Fortschrittlich denkende Bürgermeister und Bürger, die entschlossen miteinander arbeiten und bereit sind, Gewohnheiten in Frage zu stellen und Weichen neu zu stellen. Für neue Wege in eine bessere Zukunft.









Montag, 5. September 2016

Wenn Haushaltsgeräte einkaufen gehen ...

Morgens auf den Kaffee verzichten zu müssen, weil man ihn beim letzten Einkauf vergessen hat, kann frustrierend sein. Gleiches gilt aber auch für das Wegwerfen von Lebensmitteln, die nicht mehr genießbar oder für Medikamenten, die verfallen sind: Selbst in kleinen Haushalten gibt es solch eine Vielzahl von Produkten, dass die Organisation der Vorräte und des regelmäßigen Nachschubs zur Kunst wird. Anbieter von Socken-Abos oder der wöchentlichen Gemüsekiste haben dies erkannt und bieten mit Abonnements für regelmäßige Lieferungen eine gewisse Unterstützung. Mit 5 Milliarden verbundener "Dinge" im Jahr 2015 sollte es jedoch bessere Lösungen geben, um fehlende Bestände und veraltete Produkte zu vermeiden.
Die Rede ist vom „Internet der Dinge“, das die moderne Welt verbindet: Dank intelligenter Geräte wie Computer, Smartphones und Tablets boomt der E-Commerce. Online einkaufen ist heute selbstverständlich. Gleichzeitig werden die Haushaltsgeräte intelligent: Dank der ansteigenden Zahl von Sensoren stellen diese den Nutzern eine breite Palette von Informationen und Anwendungen zur Verfügung. So haben Forscher der University of California-Berkeley den Prototypen eines intelligenten und wiederverwertbaren Verschlusses für Milchbehältnisse entwickelt. Die darin eingebauten Sensoren erkennen, wenn die Milch anfängt, schlecht zu werden
Lösungen wie diese helfen, unsere Bestände zu verwalten. Wäre es nicht toll, wenn Sensoren und intelligente Geräte uns auch dabei helfen, im richtigen Moment einzukaufen?
Der sich selbst füllende Kühlschrank ist gar nicht mehr so weit entfernt, wie es vielen scheint.
Ein wichtiger Schritt in Richtung Auto-Nachschub ist die Amazon Dash-Taste, die bereits am 1. April 2015 gelauncht wurde und nun auch in Deutschland angeboten wird. Sie zielt auf alle Bereiche, wo Einkaufsprozesse vereinfacht werden sollen: Angebracht an Haushaltsgeräten, werden Bestellungen und Lieferanforderungen via Knopfdruck ausgelöst. Die Informationen zur Bestellung werden an das Mobiltelefon des Kunden gesendet, das mit dem Konto verbunden ist. Dies erfolgt auch zur Sicherheit. Die bestellten Reinigungsmittel, Kaffeefilter und andere wichtige Gegenstände werden dann zeitnah geliefert - einige sogar innerhalb einer Stunde.
Noch weiter geht das Dash Direkt Nachfüllsystem. Dieser Service bietet eine API (Application Program Interface) - eine Schnittstelle, mit Hilfe derer intelligente Geräte direkt miteinander kommunizieren können. Mit der API kann das Dash-System in die Geräte integriert werden – der Button ist nicht mehr notwendig. Vielmehr bestellt die Espresso-Maschine die Kaffee-Bohnen ohne Dash-Taste und Verbraucher. Sobald das Gerät feststellt, dass der Vorrat zur Neige geht, wird der Kaufvorgang ausgelöst. Damit bleiben Überraschungen aus, wie das auf einmal fehlende Waschmittel aus, und wir müssen keine Zeit mehr für das tägliche Schreiben von Einkaufszetteln aufwenden.
Auch Unternehmen und Organisation können von dieser Entwicklung profitieren. Hersteller haben die Möglichkeit, neue Angebote zu entwickeln. Xerox stellte zum Beispiel fest, dass fehlender Toner der häufigste Grund dafür ist, dass Menschen nicht drucken können. Das Unternehmen hat daraufhin einen automatisierten Nachschub-Service für Drucker eingeführt.
Die neuen Nachschub Dienste - ob für Häuser oder Organisationen - werden helfen, Zeit und Geld zu sparen. Aber auch, Lagerplatz zu reduzieren und Abfälle aufgrund veralteter Produkte zu vermeiden. Diese Entwicklung ist gut für unsere Umwelt.
Das alles ist wohl nur der Anfang einer massiven Entwicklung neuer Dienste, die durch das Internet und den angeschlossenen Geräten angetrieben wird. Warum sollten Haushaltsgeräte nicht nur Verbrauchsmaterial ordern, sondern auch Ersatzteile? Auch die Bestellung des Service-Technikers könnte künftig direkt über das Gerät erfolgen.
Mit diesem Komfortniveau kommen neue Anforderungen und Risiken auf uns alle zu. Heutige Lieferketten sind kaum auf diese Entwicklungen vorbereitet. Die Frequenz und Geschwindigkeit der Lieferkette, die Waren an Organisationen und Endverbraucher liefert, ist entscheidend für die Realisierung der neuen Services.
Die Entwicklung kommt nicht ohne Risiko. Alles mit dem Internet Verbundene kann gehackt werden. In der hypervernetzten Welt steht unsere Sicherheit in erhöhtem Maße auf dem Spiel - sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz. Das Risiko liegt dabei zum einen in der Möglichkeit, dass Hacker die Kontrolle der Geräte übernehmen. Zum anderen können sensible persönliche Informationen ebenso wie geheime Forschungsdaten eines Unternehmens illegal entwendet werden.
Während der Dash-Button selbst keine direkte Gefahr darstellt, schafft die Tatsache, dass “Dinge” miteinander durch das Internet kommunizieren, Milliarden von potenziellen Hintertüren in unsere Häuser und Organisationen sowie zu allen möglichen Orten - zum Beispiel in die Praxis des Arztes oder zur Straßenbahn, mit der wir morgens zur Arbeit fahren. Daher ist Cybersicherheit bereits heute Top-Thema. Unter Umständen ist nicht der absolut sichere Code, sondern die vollkommen Nachvollziehbarkeit der Dinge durch die Blockchain die schlussendliche Lösung.
Wie wird die Zukunft der hoch vernetzten Welt aussehen? Werden wir helle und bunte Marken-Tasten auf allen Geräten in unseren Haushalten plazieren? Wohl kaum. Das wahrscheinlichste Szenario ist die schrittweise Erhöhung der Anzahl der angeschlossenen "Dinge", die via Smartphones, Tablets und Wearables gesteuert werden und zunehmend autonom handeln. Der Apple HomeKit – eine Lösung zur smarten Steuerung von Wohnungen und Häusern - gibt einen ersten Eindruck, wie sich Geräte in dieser vernetzen Welt steuern lassen. Vielleich ist der HomeKit die stilvolle Haushälterinnen von morgen.

Freitag, 1. Juli 2016

Auch der Logistikweltmeister kann noch von anderen lernen

© amasterpics123

Deutschland ist erneut Logistikweltmeister – so der Logistics Performance Index 2016 der World Bank Group. Eine notwendige Voraussetzung für das Transitland im Herzen Europas. Denn die deutsche Wirtschaft und das Wohl der deutschen Bevölkerung sind zu einem erheblichen Maße von Warenströmen sowie vom Im- und Export abhängig.
Interessant die Detailbewertungen: Trotz den unbedingt erforderlichen aber auch bereits anstehenden Investitionen in Straßen und Brücken hat die Infrastruktur des Landes im Vergleich mit den anderen Staaten die beste Bewertung erhalten. Auch bei Logistik-Kompetenz und Qualität steht Deutschland auf Platz 1. Made in Germany trumpft auch in der Logistik. Trotzdem besteht Verbesserungsbedarf. So beispielsweise beim Thema Visibility. Im Ranking im Bereich Track and Trace abgedeckt, steht die Bundesrepublik auf Platz 3. Hier kann Deutschland von Schweden (Platz 1) und Österreich (Platz 2) lernen. Dies ist für die Zukunft entscheidend. Denn mehr Transparenz in den Prozessen sorgt nicht nur für ein Mehr an Sicherheit, vielmehr wird die Nutzung von Daten und Informationen zur Vorhersage von Ereignissen und der Steuerung der Lieferkette immer mehr zum Wettbewerbsfaktor.
Zudem sollten Politik und Wirtschaft auch weiterhin im Sinn behalten, dass wir heute in einer hochvernetzten Welt gegenseitiger Abhängigkeiten leben. In einer Welt, in der Deutschlands Erfolg auch von der Offenheit, Stabilität und Leistungsfähigkeit der Handelspartner abhängt – von offenen Grenzen, der weltweiten Infrastruktur und der Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal entlang der gesamten globalen Wertkette. Vertrauensbildung, Wissenstransfer und Unterstützung sind daher nicht nur im Rahmen der kollektiven globalen Verantwortung zur Sicherung des Wohlstands aller und damit des Weltfriedens äußerst angeraten, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen notwendig.
Die deutsche Logistikindustrie muss sich organisieren, um diese Aufgabe erfüllen zu können – sie muss existierende Plattformen nutzen und – wo erforderlich – neue schaffen. Plattformen der internationalen Begegnung und des Austausches, auf denen Maßnahmen zur Förderung des internationalen Handels gemeinsam ausgearbeitet und deren Implementierung verfolgt und unterstützt wird.


Dieser Beitrag erschient ursprünglich inder DVZ vom 29.06.2016: 
http://www.dvz.de/rubriken/markt-konjunktur/single-view/nachricht/lpi-ranking-deutschland-ist-wieder-weltmeister.html

Dienstag, 7. Juni 2016

Bevorstehende Handelskrise oder Kehrtwende in der Brexit-Diskussion?

Urheber: noche / 123RF Lizenzfreie Bilder
Am 5. Mai 2016 wählte London einen neuen Bürgermeister: den europafreundlichen Muslim Sadiq Khan. Ein pragmatischer Akt der Toleranz, geprägt von der Bereitschaft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – nämlich auf die Fähigkeiten eines Menschen und die Fundamente des Wohlstands, wie den internationalen Handel. Wird diese Wahl am Ende auch Einfluss auf das Referendum um den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union (EU) haben?
Die Londoner hatten guten Grund, für Europa zu stimmen, denn London ist auf Handel gebaut. Der internationale Austausch hat zu einem Großteil zum Wohlstand der Städte, Regionen und Nationen beigetragen. Obwohl der globale Handel seit der globalen Finanzkrise eher verhalten und nicht so stark wie zuvor wächst, kann die Wiedereinführung von Handelsbarrieren für Großbritannien weitreichende Folgen haben. Schließlich gingen im Jahr 2014 51,7 Prozent der Exporte Großbritanniens in die EU, während die Importe aus der EU 55,8 Prozent ausmachten. Großbritannien hat eine eigene Währung und genießt ein hohes Maß an wirtschaftspolitischer Souveränität, die durch einen Austritt aus der EU kaum erhöht würde. Auch ist zweifelhaft, dass der Brexit zu einer Lösung der Flüchtlingssituation für Großbritannien führen würde. Sicher sind jedoch andere Entwicklungen: Handelsbarrieren erhöhen die Preise für Importe für Konsumenten und die produzierende Wirtschaft, die auf Importe angewiesen ist. Tritt Großbritannien aus der EU aus, würden daher als Folge nicht nur Exporte, sondern auch die im Land für den nationalen Markt produzierten Güter teurer. Was würde ein Brexit noch mit sich bringen? Die Antwort erfordert das Formulieren verschiedener Hypothesen. Vier konzeptionelle Optionen sollen der Analyse dienen: 1) totale Unabhängigkeit, 2) eine lockere Assoziation mit der EU, 3) weitgehende Harmonisierung mit der EU, und schließlich 4) der Anschluss Großbritanniens an ein anderes Bündnis, wie beispielsweise das North American Free Trade Agreement (NAFTA). Die Wahl würde Art und Ausmaß der Folgen bestimmen. Dies in Bezug auf die EU selbst und auf die vielen Ländern und Regionen, mit denen die EU Handelsabkommen abgeschlossen hat.
Im Falle der Assoziation und Harmonisierung sind geringe Auswirkungen zu erwarten. Die Folgen eines Beitritts zu einem anderen Bündnis sind speziell zu analysieren. Die Dauer der Verhandlungen wird hierbei einer wichtige Rolle spielen. In allen anderen Fällen ist höchstwahrscheinlich eine Anpassung der Beschaffungs-, Fertigungs- und Distributionsnetzwerke erforderlich. Je nach Unternehmen und Industrie wäre dies sofort oder erst nach einiger Zeit notwendig, für einige würde die Änderung partiziell, für andere radikal ausfallen.
Der Wohlstand eines Landes hängt in der heutigen globalen und vernetzten Welt erheblich von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eines Landes ab. Diese determiniert sich zu einem erheblichen Teil in den folgenden vier Bereichen: 1) Grenzabfertigung, 2) Marktzugang, 3) Telekommunikations- und Transportinfrastruktur, und 4) das Geschäftsumfeld. Im Falles des Brexits wäre nur die Infrastruktur nicht negativ betroffen. Der Einfluss auf die anderen drei Bereiche wird nachstehend kurz angerissen.
Grenzkontrollen verlängern die Transportzeit und verlangsamen insbesondere die Beschaffungs- und Distributionsprozesse. Bei internationaler Fragmentierung der Produktion werden auch die Fertigungsnetze beeinträchtigt. Da die Wartezeiten an der Grenze schwer kalkulierbar sind, wäre beispielsweise der Einsatz von Just-in-time Konzepten, wie wir sie aus der Automobilbranche kennen, nur schwer aufrecht zu erhalten. Erhebliche Kostensteigerungen wären die Folge, da bisher nicht notwendige Bestände am Produktionsort wieder erforderlich würden. Aber nicht nur die Automobilindustrie wäre betroffen. Da Wartezeiten generell Geld kosten, schlüge sich der Brexit auf alle grenzüberschreitenden Prozesse in allen Bereiche des Lebens und Wirtschaftens die auf dies angewiesen sind negativ nieder. Staatliche Investitionen in hocheffiziente digitale Verzollungsprozesse könnten u.U. einen Teil der Nachteile ausgleichen. Dies braucht allerdings auch Zeit und Geld. Das Ideal der sofortigen Abfertigung von “intelligenten Waren” – dank Internet der Dinge –an den Grenzen ist aufgrund der erheblichen Investitionen und internationalen Abstimmung auf kurze Sicht wahrscheinlich eher auszuschließen.
Auch der Bereich des Marktzugangs wäre wahrscheinlich im Falle eines EU-Austrittes betroffen. Erhöhte staatliche Regulierung ist oft mit protektionistischen Maßnahmen einzelner Industrien verbunden. Die Folge ist ein verringerter Innovationsdruck auf die lokale Wirtschaft, was gewöhnlich auf Dauer zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der geschützten Industrien führt.
Das Geschäftsumfeld würde ebenfalls negativ beeinträchtigt. Beispielsweise in der Investitionspolitik und bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer, die wahrscheinlich erschwert würde. Um größere Beeinträchtigungen der eigenen Wirtschaft zu vermeiden, wäre die Regierung Großbritanniens gezwungen, mit vielen Ländern Handelsabkommen auszuhandeln, um das Defizit der Vereinbarungen zu elimieren. Dazu zählten auch die Beitrittsverhandlungen zu einem neuen Bündnis.
Nicht nur für Großbritannien, auch für viele Handelspartner würden die Geschäfte im Falles eines EU-Austritts erschwert und daher negativ beeinträchtigt. Hoffen wir daher, dass das Referendum scheitert und Großbritannien in der EU bleibt. Der Austritt würde ein negatives Zeichen setzen bevor sich die Folgen offenbarten. Vielleicht gibt die Wahl von Sediq Khan Zuversicht in Bezug auf die Wertschätzung der Globalisierung und den Bestand internationaler Bündnisse.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im BVL Blog.

Freitag, 6. Mai 2016

Die Kreislauflieferkette – Definition, Bedeutung und Realisierung


Bild: Marcin Balcerzak
Umweltbelastung, Ressourcenknappheit und Klimawandel: Herausforderungen wie diese erfordern ein Umdenken in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Welt braucht ein neues Wirtschaftsmodell. Gefragt ist die Circular Economy, deutsch Kreislaufwirtschaft, und ein neuer Ansatz in der Logistik: Die Kreislauflieferkette.
Was heißt dies konkret? Die Vision ist ein regeneratives System mit der Kreislauflieferkette als zentrales Element einer Wirtschaft und Gesellschaft, in der sich Menschen weniger Sorgen um die Ressourcen und Lebensbedingungen in der Zukunft machen. Dafür müssen Materialien, Roh- und Werkstoffe, Teile und Produkte kontinuierlich im Wertschöpfungskreislauf weiterverwendet werden. Traditioneller Abfall wird zur Ressource. Daher ist die optimale Nutzung der Ressourcen, beziehungsweise Zero Waste, eines der Prinzipien und Ziele der Circular Supply Chain. Weitere Ziele sind die Vermeidung von Emissionen und auch anderen Belastungen der Umwelt, wie beispielsweise Beeinträchtigungen infolge der Wasserwirtschaft. Das angestrebte Ideal eine Gesellschaft und Wirtschaft, die Lebensbedingungen und Umwelt so weit wie möglich schont. Dies macht Kreislaufdenken zu einem Axiom für verantwortungsvolles regeneratives Handeln.
Die Idee ist nicht neu – Recycling wird beispielsweise in Deutschland seit Jahrzehnten gelebt, Klimawandel bekämpft. Zu den Bestrebungen gehören abfallarme Produktionen und die Verwendung von Mehrwegverpackungen ebenso, wie die Verfügbarkeit und der leichte Zugang zu Reparaturnetzwerken oder entsprechenden Services. Dabei forschen und entwickeln Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen kontinuierlich weiter. Ein Ziel ist die ressourcenschonende Produktion, ein weiteres ressourcenschonende Geräte und Fahrzeuge in großem Stil auf den Markt zu bringen.

Häre Ziele!

Wie können Unternehmen die Circular Supply Chain im Geschäftsmodell verankern? Welche Schritte sind zu bedenken? Nachstehend wesentliche Bau- beziehungsweise Meilensteine auf dem Weg zur Realisierung der zirkularen Denk- und Arbeitsweise:

  1. Das Nachhaltigkeitsprinzip ist Top Thema des CEO und des Top Managements. Das Prinzip ‚Kreislaufdenken‘ ist im Wertesystem beziehungsweise im Code of Conduct des Unternehmens verankert: die Erhaltung und Entwicklung des Business Ecosystems sowie der Schutz von Mensch und Umwelt sind feste Bestandteile des Wertesystems
  2. Die Realisierung der Circular Supply Chain ist ein Ziel der Unternehmensstrategie
  3. Ein Rahmenwerk zur Entscheidungsfindung, einschließlich der Ermittlung von Trade-offs zwischen Geschäftseinfluss und Gesellschafts-/Umwelteinfluss wurde entwickelt und findet Anwendung
  4. Ein Rahmenwerk zur Partner-Integration und Kunden-Kollaboration zur Co-Creation, d. h. zur gemeinsamen Entwicklung von Konzepten, entlang des Versorgungskreislaufs steht zur Verfügung und gilt als Basis für Aktivitäten des Unternehmens im Supply Chain Ecosystem
  5. Plattformen für Kommunikation und Wissensaustausch, intern wie mit Dritten, zum Beispiel zur gemeinsamen Planung der Circular Supply Chain mit Herstellern, Geschäftskunden, Konsumenten und zum Austausch mit der Öffentlichkeit stehen bereit – diese werden sowohl von Mitarbeitern als auch von weiteren Stakeholdern genutzt
  6. Der Modus Operandi zur Steuerung der Circular Supply Chain, einschließlich des kollektiven Handelns in Ausnahmesituationen, ist festgelegt und findet auf Basis von Verfahrensanweisungen Anwendung
  7. Ein Mechanismus zur beitragsbasierten Verteilung des kollektiv geschaffenen Mehrwertes unter allen Stakeholdern im Wertschöpfungssystem findet Anwendung
  8. Die Governance zur Implementierung und Weiterentwicklung des Circular Business, des regenerativen Geschäftes, ist vereinbart und der Fortschritt der Vorgehensweise ist messbar und damit nachverfolgbar.

Diese Roadmap zeigt: Die Circular Supply Chain erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Diese lässt sich daher auch nur in guter Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette realisieren – unter Einbeziehung aller Beteiligten, einschließlich Produktentwicklern, Ingenieuren, Logistikern, Konsumenten sowie Wieder- und Weiterverwertern.
Angestrebt wird eine Lieferkette, die positiv oder zumindest insgesamt ausgleichend auf Lebensbedingungen und Umwelt im Sinne der Nachhaltigkeit im Supply Chain Ecosystem wirkt.
Supply Chain Manager sind dazu aufgerufen, über die logistische Wertkette hinaus zu denken und (mit)verantwortlich die moderne Wirtschaft und Gesellschaft mitzugestalten. Sie sind gefragt, ihre Verantwortung als Global Citizen, als Weltbürger, wahrzunehmen und im Sinne der Circular Economy, der regenerativen Wirtschaft, zu denken und zu handeln. Dies ist eine sehr große Aufgabe. Dabei ist faire (beitragsbasierte) Verteilung und das Ende der Armut weltweit auch Teil der alten und neuen Verantwortung.

Mittwoch, 6. April 2016

Nachhaltigkeit in der Supply Chain erfordert End-to-End-Sicht



Bild:: Nataliia Peredniankina / 123RF Lizenzfreie Bilder
Geht es um die Vermeidung von CO2-Emissionen, haben viele Logistiker lange Zeit ausschließlich den Transport der Waren und Güter im Blick gehabt. Dies ändert sich zunehmend: Der Trend geht verstärkt zu einem integrierten Denken entlang der Supply Chain – und zur bewussten Kombination von Ökologie und Ökonomie.
Ökologisches Denken und Handeln beginnt bereits bei der Planung von Produkten. Und es steht in keinerlei Widerspruch zu den ökonomischen Zielen eines Unternehmens. Vielmehr müssen Ökonomie und Ökologie gleichermaßen berücksichtigt werden, damit Unternehmen langfristig erfolgreich sein können.
Um dies zu erreichen, ist bereits bei der Produktentwicklung der strategische Blick auf den kompletten Lebenszyklus eines Produktes gefragt. Dies beinhaltet sowohl die für das Produkt verwendeten Materialien als auch ihre spätere Entsorgung bzw. das Recycling der eingesetzten Stoffe sowie der Verpackung. Durch die Auswahl der Materialien, ihre Kombination, Anpassungen von Produktspezifikationen und die Entwicklung der Verpackung können hier von Anfang an durch Produktentwickler und Einkäufer Maßnahmen ergriffen werden, die den Carbon Footprint minimieren.
Dabei spielt auch der Bereich Logistik und Transport eine zunehmend wichtige Rolle. Anders als noch zu Beginn der Diskussion über Green Logistics beschränkt sich ein „grüner Ansatz“ jedoch keineswegs auf den Transport. Der Einsatz von einzelnen umweltfreundlicheren Fahrzeugen, die mit Erdgas oder Strom betrieben werden, ist zwar lobenswert. Bleibt es dabei, hilft dies jedoch nicht effektiv dabei, die CO2-Emissionen nachhaltig zu senken. Denn auch hier geht es nicht um Einzelaspekte, sondern um den gesamten „Produktlebenszyklus Logistik“, also um Fahrzeugflotte, Logistikimmobilien, energieeffiziente Bürogebäude, die Konfiguration des eigenen Netzwerkes, den ‚intelligente‘ Einsatz verschiedener Verkehrsträger, die Routenplanung, die Vermeidung von Leerfahrten, das Angebot umweltfreundlicher Verpackungen und Verpackungsmaterialien sowie das Verhalten der eigenen Mitarbeiter. Nur wenn ganzheitliches Denken und Handeln entlang der Wertschöpfungskette praktiziert wird, kann eine umfassende und nachhaltige Verminderung der CO2-Emissionen erreicht werden.

Stellschrauben Verbraucher und Handel

Verantwortung für die Höhe der CO2-Emissionen tragen auch Handel und die Verbraucher selbst. Um sie aktiv in die Vermeidung von CO2 einzubeziehen, bietet UPS beispielsweise seit kurzem in den USA die Paketzustellung zum Wunschtermin an und vermeidet so unnötige Zustellversuche.
Mit gleicher Intention benachrichtigt der DPD Sendungsempfänger – sofern die Kontaktdaten bekannt sind – am Tag vor der Zustellung seines Paketes über die geplante Zustellung. Diesen Zustellungsvorschlag kann der Verbraucher entweder bestätigen oder aber die Lieferung auf einen von drei aufeinander folgenden Tagen verschieben. Durch dieses interaktive Zustellkonzept werden Retouren und damit CO2-Emissionen deutlich reduziert.
Über die reine Transportdienstleistung hinaus kann auch der Online-Versandhandel mit eingebunden werden, indem Kunden beispielsweise angeben können, in welchem Zeitrahmen sie ihre bestellte Ware erhalten möchten. Die durchgängige Kommunikation in der Supply Chain wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor für Nachhaltigkeit. Die Supply Chain muss daher ‚smart‘ sein, um Verbraucherwünsche und Lieferverhalten reibungslos und ressourceneffizient aufeinander abstimmen zu können.

Ökologische und wirtschaftliche Aspekte verbinden

Optimierung ist ökologisches Handeln. Weniger Leerfahrten, weniger Energieverbrauch, weniger Kosten und weniger CO2-Austoss, das leuchtet ein. Aber auch Innovation führt zu mehr Nachhaltigkeit, wie die Beispiele von UPS und DPD zeigen. Denn durch die frühzeitige Wahl des Zustelltermins sowie durch die direkte Kommunikation während des Transportablaufs mit dem Empfänger profitieren sowohl Lieferanten und Kunden, als auch die Logistik- und Transportdienstleister. Touren können effizient geplant und der vorhandene Laderaum optimal augeschöpft werden. Gleichzeitig führt dies zur Reduzierung von Treibstoff und Verkehrsaufkommen. Zudem verbessert sich die Qualitätswahrnehmung beim Kunden.
Bei der Initialisierung „grüner Logistik- und Transportlösungen“ sollten deshalb beide Seiten betrachtet werden: Wirtschaftlichkeit und Ökologie. Die Umsetzung ökologischer Maßnahmen muss erlauben, dass ein Logistik- und Transportdienstleister zugleich auch seinem Unternehmenszweck nachkommen und seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern kann. Dies wissen auch die Auftraggeber der Logistik- und Transportdienstleister, die ihrerseits immer stärker von ihren Kunden nach ökologischen Kriterien beurteilt werden.

Einheitliche Standards und abgestimmtes Handeln sind Schlüssel zum Erfolg

Zurzeit setzt sich die Erkenntnis durch, dass nur ein einheitlicher durchgängiger End-to-End Standard die weitgehende Ausschöpfung von Optimierungs- und Innovationspotenzialen ermöglicht. Noch ist es üblich, dass Standards in Form unternehmenseigener Regeln und Verpflichtungen in die Green Supply Chain eingebunden werden. Dabei hat sich allerdings gezeigt, dass die unternehmensindividuellen Berechungen von Dritten nahezu nicht nachvollziehbar und die Einhaltung der selbstgesetzten Standards schwer kontrolliebar sind.
Die industrieweite Initiative des World Economic Forum und der Logistik- und Transportdienstleister zur einheitlichen Definition und Vereinbarung einheitlicher Richtlinien zum Carbon Reporting aus dem Jahr 2010 ist daher ein wichtiger Schritt. Nur über allgemein gültige Leitlinien lässt sich die notwendige Transparenz über entstandene CO2-Emissionen als Grundlage für Verbesserung schaffen. Genau dies ist der Hebel, um über standardisierte Messungen und Produktinformationen die Entstehung dieser Emissionen zu beeinflussen. Umso wichtiger wird es deshalb in der Zukunft sein, diese Richtlinien in allen Logistik- und Transportunternehmen zu implementieren und industrieübergreifende Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen entlang des Wertschöpfungskreislaufes zu entwickeln und zwischen den Beiteiligten zu vereinbaren.
Aufgrund ihrer Querschnittsfunktion kann die Logistik- und Transportindustrie der massgebliche Treiber für einen grüneren Wertschöpfungskreislaufes werden, vorausgesetzt sie geht diese Herausforderung im Sinne einer End-to-End Sicht ernsthaft und in einer kollaborativen Weise mit allen Beteiligten in der Supply Chain an.

Sonntag, 6. März 2016

Smarte Lösungen für die urbane Logistik

Bild: Kristian Kirk Mailand
Unsere Städte stehen aufgrund der zunehmenden Wanderbewegungen vor extremen Herausforderungen: Die bestehende Infrastruktur ist nicht auf den zunehmenden Individualverkehr eingestellt und kann nur langsam ausgebaut werden. Auch die zukünftigen Städte stehen vor erheblichen Unwägbarkeiten in der Planung.
Auch außerhalb der Städte stockt streckenweise der Verkehr – beispielsweise aufgrund mangelnder Instandsetzung der Infrastruktur. So müssen teilweise marode Brücken für den Lkw-Verkehr gesperrt werden. Gleichzeitig steigen in Folge des E-Commerce die Zahl der Pakete in den Städten und auf dem Land: einzeln verpackte Bücher, CDs, Schuhe und zahlreiche weitere Produkte füllen zunehmend die Zustellsysteme. Allein 2014 wurden deutschlandweit 2,7 Milliarden Sendungen von den Kurier-, Express- und Post-Diensten (KEP) transportiert und ausgeliefert – dies sind etwa 60 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Infolge verschärfen sich die Themen Verkehrsaufkommen und Instandsetzungsbedarf.
Zur Lösung dieser Herausforderung arbeiten Handel, Logistikdienstleister, Fahrzeughersteller, Stadtplaner, Wirtschaftsförderungen und IT-Dienstleister eng zusammen. Gefragt sind neue Strategien zur Versorgung der Städte. Diese müssen allerdings über die Infrastruktur als solches hinausgehen und die Stadt als eigenständiges Eco-System betrachten. Aus logistischer Sicht ist der Wandel von Transportmodus zu neuen integrierten Modellen gefragt.
Ein Schwerpunkt liegt dabei auf neuer Technologie und besserer Nutzung bestehender Kapazitäten in der City-Logistik: Dabei sind Elektrofahrzeuge und E-Bikes, die Nutzung von Straßen- und U-Bahnen für den Transport von Gütern oder die nächtliche Nutzung von Parkhäusern als Zwischenlager nur einige Stichworte. Ein weiterer Ansatzpunkt sind Urban Consolidation Center außerhalb der Städte. Von hier aus werden die verschiedenen Lieferungen beispielsweise an Krankenhäuser, Behörden oder ein Hotel gebündelt ausgeliefert. Andere Sendungen lassen sich nach Straßenzügen oder Stadtviertel so zusammenfassen, dass Kapazitäten optimiert und somit weniger Zustellfahrzeuge benötigt werden.
In der Regel erfolgt die Zustellung der Sendungen klassisch über die Straße. Anders in Gent: Hier wurden im Rahmen eines Pilotprojektes Baustellen über die Wasserwege versorgt. Dazu pendelten spezielle Schiffe – eine Kombination aus Schubkahn und Schubschiff – zwischen einem Konsolidierungszentrum am Stadtrand und der Innenstadt. Die Vorteile: Zehn Fahrten mit dem Schiff ersetzten 75 Lkw-Fahrten durch die Stadt. Auch der Bauschutt konnte mit etwa 60 Tonnen pro Fahrt schneller entfernt werden. In Stillstandphasen wurden die Wasserfahrzeuge zudem als Zwischenlager genutzt. Aufgrund des Erfolgs soll 2016 ein regionales Netz aus Distributions- und Konsolidierungszentren für das Baugewerbe implementiert werden, bei dem die Wasserstraßen als Hauptverkehrsweg Nutzung finden sollen.
Auch viele Häfen sind integraler Bestandteil der urbanen Welt. Dort kommt zunehmend die IT zum Zug. Mit Intelligenten Leitsystemen lassen sich Güterverkehre so steuern, dass Staus vermieden werden. Getestet wird dies zurzeit am Hamburger Hafen: Lkw-Fahrer, die am Hamburger Hafen einen Container übernehmen möchten, müssen beispielsweise vor der Stadt warten, bis ihre Ware tatsächlich verladebereit ist. Erst dann können sie den Hafen anfahren. So soll der Dauerstau aufgrund der langen Wartezeiten am Hamburger Hafen in Zukunft vermieden werden.
Genutzt wird im Hamburger Hafen eine spezielle WLAN-Kommunikation, die „Vehicle-to-X Kommunikation“ (V2X): Fahrzeuge kommunizieren damit drahtlos mit Ampeln, Verkehrsschildern, Baustellen und anderen Infrastrukturelementen. So lassen sich beispielsweise die Grünphasen an intelligenten Ampeln für Fahrzeugkolonnen verlängern, um so eine verzögerungsfreie und somit treibstoff- und emissionsoptimierte Fahrt zu ermöglichen.
Auch in anderen Bereichen wird die Digitalisierung zur Optimierung der City-Logistik beitragen. So können RFID-Chips an den Transportgütern dabei helfen, diese schneller und zuverlässiger in den Konsolidierungszentren zu sortieren. Das Internet der Dinge eröffnet zudem die Möglichkeit, dass Zusteller unterwegs Pakete von verschiedenen anderen Transporteuren übernehmen, um so die Zahl der Zustellfahrten zu reduzieren.
Auch die Share Economy nimmt ihren Einfluss auf die Welt des Gütertransports: Vielleicht stellt morgen auch der Nachbar unsere Sendungen zu, wie das Beispiel Nimber in Norwegen und im Vereinigten Königsreich zeigt. Ob in naher Zukunft autonome Fahrzeuge – welche weniger Raum benötigen und zudem mit geringerem Energieverbrauch und Unfallrisiko betrieben werden können – sowie Transportdrohnen das Stadtbild prägen, hängt primär von der Akzeptanz der Konsumenten und Bürger sowie der Einschätzung und Vision der lokalen Städteparlamente ab. Daher ist meine abschließende Frage: Wie ist Ihre Haltung zum Thema autonome Fahrzeuge?